Happy Birthday Sepp Kuss

Roglic und Vingegaard verteilen keine Geschenke

Der Alto de Angliru (Altu de L'Angliru) ist mit 9,8% Durchschnittsteigung bei einer Länge von 12,4 Kilometern einer der brutalsten Anstiege des gesamten Straßenrennsports. Der 1558 Meter hohe Berg in Asturien ist seit 1999 regelmäßig im Programm der Vuelta a Espana. Kilometerlange Passagen im zweistelligen Bereich, darunter Rampen jenseits von 20 Prozent, machten den Anstieg innerhalb kürzester Zeit legendär und ebenso gefürchtet. Dieses "Monster" stand am Ende der 125 Kilometer langen 17. Etappe. Dem nicht genug, müssen die Fahrer vorher noch über den Alto de la Colladiella und den Alto del Cordal, zwei Anstiege der ersten Kategorie, die auch schon "würzige" Steigungsprozente aufweisen. Von Anfang an machte Remco Evenepoel deutlich, dass er sich für den heutigen Tag einiges vorgenommen hat. Nach zahlreichen Attacken konnte er sich endlich absetzen und mit einer kleinen Gruppe einen Vorsprung erarbeiten. Bereits in der ersten Steigung zum Alto de la Colladiella hatte er nur mehr einen Begleiter, das war sein treuer Helfer Matteo Cattaneo. Das Duo erfüllte mit Bravour die Pflicht, Remco holte die ersten beiden Bergwertungen und baute die Führung im Bergtrikot aus. Die Kür funktionierte dann doch nicht, 1:20 Vorsprung waren für den Angliru zu wenig, gut zur Hälfte der Steigung wurde der Belgier gestellt. Im Favoritenfeld sorgte Bahrein-Victorious in Mannschaftsstärke für das Tempo und das mit verheerender Wirkung. Im 30-Sekundentakt fiel Fahrer um Fahrer zurück. An der 4000-Meter-Marke gab es nur mehr zwei Trikotfarben, drei Mal Bahrein-Victorious und drei Mal Jumbo-Visma. Auf den letzten Kilometern bedankte sich Jumbo-Visma für die Arbeit und Primoz Roglic, Jonas Vingegaard und Sepp Kuss fuhr als Trio davon. Man könnte meinen Alles in trockenen Tüchern, doch nicht in der niederländischen Mannschaft. Sepp Kuss, der heute den 29. Geburtstag feiert, verliert den Anschluss und seine Teamkollegen gratulierten auf eine eigenwillige Art und Weise. Den Mann im Ohr vermutlich ausgeschaltet und sicherheitshalber nicht zurückschauend, stürmten sie davon. Der Tagessieg ging an Primoz Roglic vor Jonas Vingegaard. Kuss bekam dann zum Glück Unterstützung durch Mikel Landa von Bahrein-Victorious, das rettete sein Rotes Trikot. In der Gesamtwertung liegt Kuss jetzt nur mehr 8 Sekunden vor Vingegaard und 1:08 vor Primoz Roglic.
Das Gemetzel auf den 12 Kilometern wirbelte die Top Ten hinter dem Podium etwas durcheinander. Juan Ayuso (+4:00) rettete seinen vierten Rang, Mikel Landa (+4:15) verbesserte um zwei Plätze, Enric Mas (+4:30) verlor einen Rang und Cian Uijtdebroeks (+6:43) überholte seinen Teamkollegen Alexandr Vlasov (+7:38).

Man möge dem Autor, der möglicher weise nichts von Taktik versteht, den Ehre und Heldentum im Profiradsport faszinieren, aber vielleicht auch nur blauäugig durchs Leben läuft, die folgenden Zeilen verzeihen. Die Attacke der beiden war eine der größten Unsportlichkeiten der jüngsten Geschichte. Vielleicht sollte Sepp Kuss den Beiden heute Abend eine Videoaufzeichnung von der Tour de France und dem Giro d'Italia vorspielen, dann könnten sie sich wieder erinnern, wieviel Anteil der bis zum letzten Blutstropfen loyale "Hackler" Sepp Kuss an ihren Erfolgen hatte. Vor allem Primoz Roglic möge sich an die Etappe auf den Monte Bondone erinnern, wo Kuss mit seiner "Drecksarbeit" den späteren Giro-Sieg rettete.

13.09.2023 - Gerald