In der Gesamtwertung nichts Böses passiert

Turgis feiert den größten Erfolg seiner Karriere

Morgen gibt es bei der Tour de France den ersten Ruhetag, der Tag davor war wohl die Etappe die den Fahrern und Sportlichen Leitern die meisten schlaflosen Nächte bereitete. Der neunte Tagesabschnitt war 199 Kilometer lang, davon mussten 33 Kilometer auf Schotterstraßen bewältigt werden. Eine Unzahl von kleinen teilweise ganz steilen Steigungen machte das Ganze nicht einfacher. Nach einer langen hektischen Anfangsphase bildete sich erstmals eine Spitzengruppe die Bestand haben sollte, es dauerte aber fast bis zum ersten Gravelsektor beim Kilometer 50, wo sich 12 Fahrer absetzten konnten. Der zweite Gravelsektor war eine ganz steile Rampe. Fahrer die sich an der Einfahrt anstellen wie beim Skilift und danach zu Fuß nach oben laufen, so stellt man sich offensichtlich bei den Veranstaltern "Spektakel" vor. Zu den leidtragenden gehörten unter anderen auch Juan Ayuso, Primoz Roglic und Felix Gall, die den Anschluss verpassten. Nach einer längeren Verfolgungsjagd konnte man doch wieder aufschließen. Normalerweise gibt es den JoJo-Effekt nur am Ende des Feldes, doch heute ging es der Spitzengruppe so. Immer wieder schien es so, als würde man eingeholt, eine Gruppe mit Tadej Roglic, Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel war sogar einmal auf 15 Sekunden herangekommen. Am Ende ging es doch um den Tagessieg. Jasper Stuyven probierte es mit einer Attacke an der 11-Kilometer-Marke, doch 1000 Meter vor dem Zielstrich schwanden seine Kräfte. Im Sprint zeigte dann Anthony Turgis die größten Reserven, der Franzose siegte vor Thomas Pidcock, Derek Gee, Alex Aranburu, Ben Healy, Alexey Lutsenko. Turgis gehört nicht zu den großen Stars oder Siegfahrern, er schaffte mit 30 Jahren den ersten WorldTour-Sieg und das gleich auf einer epischen Etappe bei der Tour de France. Es folgten noch Javier Romo und Jasper Stuyven aus der Gruppe des Tages. Neunter wurde Biniam Girmay im Spurt einer kleinen Verfolgergruppe vor Michael Matthes und Mathieu Van Der Poel.
Die Klassementfahrer kamen zeitgleich mit 1:46 Rückstand ins Ziel. Das klingt nach einer kontrollierten Fahrweise, doch weit gefehlt. Nur der aggressive Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard waren mit ihren Helfern immer im Bilde, alle anderen mussten nicht nur einmal wieder um den Anschluss kämpfen. So war es auch für die Fans von Felix Gall eine nervenaufreibende Sache. Gefühlt in jeder Schotterpassage verlor der Österreicher an Boden, am Ende schaffte er es immer wieder zurück. In den Schotterpassagen gab es kaum folgenschweren Stürze oder Defekte, das befürchtet Szenario ist nicht eingetreten. Aus aktuellem Anlass könnte man die Etappe mit einem Fußballspiel vergleichen. 80 Prozent Ballbesitz für Pogagar und Vingegaard, mehrere Stangenschüsse, doch mit 0:0 geht es in die Verlängerung.
Als "harter Hund" erwies sich Aleksandr Vlasov. Nach einem brutalen Sturz in den Straßengraben, kämpfte er sich blutüberströmt mit zerfetztem Trikot zurück. Er beendet unglaublicher weise im Hauptfeld ohne Zeitverlust den Tag.
Nach dem Einzelzeitfahren am Freitag erhielt Julien Bernard eine Strafe von 200 Schweizer Franken aufgebrummt, weil er stehen geblieben war um seine Frau und seinen Sohn zu küssen. Die romantische Szene amüsierte die strengen Herren der Jury wenig, wegen "des großen Schadens für den Sport" zeigte man sich unerbittlich. Man kann nur hoffen, dass das Stehen und Schieben vor und auf dem zweiten Gravelsektor nicht ähnlich ausgelegt wird😉.

07.07.2024 - Gerald