Del Toro wackelt gewaltig - Rosa am seidenen Faden

Italienischer Dreifachsieg lässt die Tifoso jubeln

Traditionell setzen die Veranstalter des Gíro d'Italia auf eine harte Schlusswoche, vier der verbliebenen sechs Etappen führen ins Hochgebirge. Darum verwundert es nicht, dass die Grand Tour-Debütanten Paul Magnier und Milan Fretin von ihren Teams zur Erholung nach Hause geschickt wurden. Den Auftakt des Kletterfinales machte eine 203 Kilometer lange Etappe von Piazzola sul Brenta zum Passo di San Valentino. 10 Grad und starker Regen gleich am Start, die fast 5000 Höhenmeter über drei Bergwertungen, eine der zweiten und zwei der dritten Kategorie vor der 18 Kilometer langen Bergankunft versprachen einen ungemütlichen Arbeitstag. Relativ schnell bildete sich eine 7-köpfige Spitzengruppe, die allerdings bald um einen Fahrer weniger war. Joshua Tarling rutschte in einem Kreisverkehr auf der regennassen Fahrbahn weg, der Brite musste verletzt ausscheiden. In der langen ersten Steigung nach Carbonare lösten sich immer wieder Fahrer aus dem Hauptfeld und die Spitzengruppe füllte sich auf 24 Mann. Im Feld kontrollierte UAE Team Emirates - XRG das Tempo, man zeigte, dass man mit der Gruppe gut leben konnte. Der Vorsprung wuchs bis zur Kuppe auf sechseinhalb Minuten. Leider kam es wieder zu einem Sturz, Alessio Martinelli rutschte in einer Kurve weg. Wenig später wurde die Aufgabe des Italieners bestätigt, gesprochen wurde von mehreren Knochenbrüchen. Wenig später die nächste Aufgabe, Primoz Roglic steigt in den Mannschaftswagen. Schon am Ruhetag hieß es, dass der Slowene nach den drei Stürzen körperlich angeschlagen ist, eine weiterer "Stern" war einer zu viel. Von den letzten 47 Kilometern führten 31 nur bergauf, die beiden härtesten Steigungen des Tages erreichte die Fluchtgruppe mit gut 9 Minuten Vorsprung. Mittlerweile war die Sonne herausgekommen, gerade Rechtzeitig um das vorentscheidende Geschehen zu beleuchten. Sieben Fahrer der Fluchtgruppe erreichten gemeinsam die Bergwertung Santa Barbara und während für die meisten der mögliche Etappensieg im Fokus blieb, hatte einer das wichtigste Tagessziel bereits erreicht. Lorenzo Fortunato überquerte alle drei Bergwertungen als erster, das Bergtrikot ist dem Italiener nur mehr theoretisch zu nehmen. Gestern erklärte die Sportliche Leitung von UAE Emirates, dass Isaac Del Toro ab jetzt der Kapitän im Team ist. Im Anstieg folgte auch die sportliche Bestätigung. Juan Ayuso fiel aus der Favoritengruppe und kein Helfer blieb bei dem Spanier. Ob es allein die körperliche Verfassung war, oder doch auch die mentale Komponente, werden wir nie erfahren. Fakt ist, nach Primoz Roglic ist auch der zweite große Favorit geschlagen. Als nächsten erwischte es Thymen Arensman, der nächste Top Ten-Fahrer bekam Probleme. Auch Egan Bernal war kurzfristig abgehängt, der Kolumbianer kämpfte sich aber noch einmal heran.
Der 18 Kilometer lange Anstieg zur Bergankunft Passo di San Valentino war dann an Spannung und Dramatik kaum zu überbieten. Der Tagessieg wurde zu einer XDS Astana-Show. Das Duo Christian Scaroni und Lorenzo Fortunato stellte sich schnell als zu stark für die verbliebenen Gegner heraus. Sie arbeiteten perfekt zusammen, Scaroni bekam auf dem Zielstrich den Vortritt. Die beiden führen jetzt auch die Bergwertung an, Fortunato kann nur mehr ein Sturz um den Sieg in der Bergwertung bringen.
Dahinter tobte ein unglaublicher Kampf Mann gegen Mann und alle gegen Rosa. Als erster attackierte Giulio Pellizzari aus der Favoritengruppe. Von seine Helferaufgaben für Primoz Roglic befreit, nutzte er seine Chance, Als dritter hinter dem XDS Astana-Duo verbesserte er sich in der Gesamtwertung um neun Ränge und ist jetzt Gesamtneunter. Der größte Gewinner des Tages war Richard Carapaz. Der Giro-Sieger von 2019 kletterte wie zu seinen besten Zeiten und wurde mit 1:10 Rückstand Tagesvierter. Es folgten Derek Gee (+1:23), der Ausreißer Jefferson Cepeda, Michael Storer und Simon Yates (+1:52). Für den bisher so souveränen Isaac Del Toro wurde der letzte Anstieg zum kleinen Desaster. Nachdem er seine letzten Helfer Adam Yates und Rafal Majka verbraucht hatte, musste er hilflos zusehen wie Gegner und Gegner davonzogen. Als Tagesdreizehnter verlor er 1:36 auf Carapaz, der Giro ist wieder komplett offen. Der Mexikaner rettete zwar sein Rosa Trikot, aber 26 Sekunden auf Simon Yates und 31 Sekunden auf Richard Carapaz sind kein großer Polster mehr. Das Momentum lieg klar auf der Seite seiner Verfolger. Während sich Michael Storer (7.) und Giulio Pellizzari (9.) in die Top Ten vorkämpften, verabschiedeten sich Thymen Arensman (15.) und Juan Ayuso (17.) aus den vorderen Rängen.

27.05.2025 - Gerald